Der herausstehende Nagel wird eingeschlagen.

出る釘は打たれる
Deru kugi wa utareru
Der herausstehende Nagel wird eingeschlagen.
Ein herausragender Nagel muß eingeschlagen werden.
Nonkonformität wird kritisiert und bestraft.

出る釘は打たれる
Deru kugi wa utareru
The nail that sticks out gets hammered down.
Non-conformity will be subject to criticism and punishment.

出る杭は打たれる
Deru kui wa utareru
Der herausstehende Pfosten wird eingeschlagen.
Konformität und Anpassung wird ermutigt, Nonkonformität kritisiert und bestraft.

出る杭は打たれる
Deru kui wa utareru
The stake that sticks out gets hammered down.
Conformity gets encouraged, non-conformity will be subject to criticism and punishment.

Anmerkung
Als Grundton schwingt in den obigen Sprichwörtern mit, dass mit Kritik und Maßregelung rechnen muss, wer vorlaut ist und sich ungebeten einmischt. Häufig genügt aber auch schon ein – tatsächlicher oder eingebildeter – Erfolg, der einem nicht gegönnt wird. Die zum Klischee gewordene sprichwörtliche Redensart vom herausragenden Nagel [釘 kugi] beziehungsweise Pfosten [杭 kui], der eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und deshalb eingeschlagen werden muss – jemand könnte ja in den Nagel treten beziehungsweise vor den Pfosten laufen –, werden nicht selten auch im übertragenen Sinne herangezogen, um falsche Gegensätze über „östliche“ und „westliche“ Gesellschaften zu konstatieren; zum Beispiel, dass erstere so schrecklich kollektivistisch und letztere so wunderbar individualistisch seien. Für die Mär, in Japan gäbe es keinen Individualismus oder er würde vom Kindergarten an permanent und systematisch unterdrückt, kann man selbstverständlich Anhaltspunkte finden, aber als Abstraktion und vernichtendes Pauschalurteil über ein ganzes Gesellschaftssystem, geht diese Interpretation definitiv zu weit.

Deru kugi wa utareru 出る釘は打たれる und Deru kui wa utareru 出る杭は打たれる sind synonyme sprichwörtliche Redensarten. Anstelle von Deru kui wa utareru wird auch Sashideru kui wa utareru 差し出る杭は打たれる benutzt. Die bildhafte japanische Redewendung vom Nagel beziehungsweise Pfosten verweist im übertragenen Sinne auch auf die in praktisch allen menschlichen Gesellschaften vorkommende Gefühlsregung des – mehr oder weniger hart erarbeiteten – Neids und der Eifersucht gegenüber vergleichsweise beliebt[er]en und/oder erfolgreich[er]en Zeitgenossen und Zeitgenossinnen. Eine synonyme sprichwörtliche Redensart lautet „Hohe Bäume fangen viel Wind.“ [Kōboku wa kaze ni oraru 高木は風に折らる].

Genie und Wahnsinn

天才と狂人は紙一重
Tensai to kyōjin wa kami hitoe
Zwischen dem Genie und dem Verrückten ist nur ein dünnes Blatt Papier.
Zwischen Genie und Wahnsinn liegt ein schmaler Grat.

天才と狂人は紙一重
Tensai to kyōjin wa kami hitoe
Between a genius and a madman is a sheet of paper.
There is only a fine line between genius and madness.

Beherrsche dein Geschäft!

「ビジネスを支配しなければ、ビジネスから
追い出される。」
(バーティ・チャールズ・フォーブス、1880年~1954年)
Bijinesu o shihai shinakereba, bijinesu kara oidasareru
“If you don’t drive your business, you will be driven out of business.”
„Wenn du dein Geschäft nicht vorantreibst, wirst du aus dem Geschäft getrieben.“ (Bertie Charles Forbes, 1880–1954)

Andere Länder, andere Sitten!

郷に入っては郷に従え
Gō ni itte wa gō ni shitagae
Betrittst du ein Dorf, so folge seinen Regeln.
Wenn du in Rom bist, verhalte dich wie ein Römer!
Andere Länder, andere Sitten!

郷に入っては郷に従え
Gō ni itte wa gō ni shitagae
Obey the customs of the village you enter!
Every country has its own customs.
When in Rome, do as the Romans do!

Banken und Banker [2]

「銀行家というのは、太陽が照っているときに自分の傘を差し出して、雨が降り始めるやいなや、それを返せと言うような奴だ。」
(マーク・トウェイン、1835年~1910年)
Ginkōka to iu no wa, taiyō ga tette iru toki ni jibun no kasa o sashidashite, ame ga furihajimeru ya ina ya, sore o kaese to iu yō na yatsu da
“A banker is a fellow who lends you his umbrella when the sun is shining, but wants it back the minute it begins to rain.”
„Ein Bankier ist ein Mann, der dir seinen Schirm ausleiht, wenn die Sonne scheint, und ihn sofort zurückhaben will, wenn es zu regnen beginnt.“ (Mark Twain, 1835–1910)

Glück und Unglück liegen nahe beieinander. [2]

「人間万事塞翁が馬」
Ningen banji sai ō ga uma
Alles im menschlichen Leben ist wie die Geschichte vom Pferd des alten Mannes.
Glück im Unglück, Unglück im Glück
In allem Schlechten liegt das Gute im Ansatz schon verborgen.
Es hat alles sein Gutes.
Glück kann jederzeit in Unglück umschlagen und umgekehrt.
Glück und Unglück liegen nahe beieinander.

「人間万事塞翁が馬」
Ningen banji sai ō ga uma
Everything in human life is like the story about the horse of the old man.
Misfortune begets fortune, and fortune begets misfortune.
A setback may turn out to be a blessing in disguise.
Every cloud has a silver lining.
A joyful evening may follow a sorrowful morning.
Joy and sorrow are today and tomorrow.

Anmerkung
Die obengenannte japanische Redewendung stammt ursprünglich aus China und ist eine sprichwörtliche Redensart [ch. chéngyǔ 成语 / 成語, jp. seigo], die auf einer alten Begebenheit [ch. gùshì 故事, jp. koji seigo 故事成語] beruht. Auf Japanisch kann Ningen banji sai ō ga uma「人間万事塞翁が馬」 auch Sai ō ga uma 「塞翁が馬」 abgekürzt werden. Und ningen 「人間」 kann auch jinkan gelesen werden. Chinesischen Grund- und Mittelschülern begegnet das obenstehende Gleichnis der untenstehenden Erzählung in etwa wie folgt: „War es nicht letztlich ein Glück, dass dem Alten an der Grenze sein Pferd davonlief?“ [「塞翁失马,焉知非福」 Sài wēng shī mǎ, yān zhī fēi fú]. Die Parabel kann daher auch frei „Glück im Unglück, Unglück im Glück“ übersetzt werden.

Kurze Zusammenfassung: Im alten China wohnte im nördlichen Grenzland in der Nähe einer Festung ein älterer Mann, der sich auf Zeichendeutung verstand. Sein Pferd entlief ihm eines Tages in das Gebiet der Xiongnu 匈奴 [ch. Xiōngnú, jp. Kyōdo], einem Volk von Reiternomaden. Die Leute hatten Mitleid mit ihm, aber er glaubte fest an eine positive Wendung: Das Glück wird mir bald wieder lachen. Und tatsächlich. Nach einiger Zeit kam sein Pferd zusammen mit einem anderen, viel edleren Pferd aus dem Gebiet der Xiongnu zurück. Die Leute beglückwünschten ihn wegen des rassigen Pferdes, und er dachte deshalb bei sich: Das wird nicht gut enden. Und so kam es auch. Als sein Sohn eines Tages auf dem neuen Pferd ritt, fiel er herunter und brach sich ein Bein. Als die Leute ihm einen Krankenbesuch abstatteten und ihn bedauerten, dachte der Greis bei sich: Das Unglück wird sicher bald wieder in Glück umschlagen. Und so kam es auch. Als die Xiongnu später im Grenzgebiet angriffen, wurde sein Sohn als Kranker nicht zum Kriegsdienst eingezogen, sondern davon befreit und wurde deshalb weder verletzt noch getötet, wie die meisten waffentauglichen Freiwilligen damals.

Als ursprüngliche Quelle der sprichwörtlichen Redensart aus dem Gleichnis gilt das chinesische philosophische Werk Huainanzi [ch. Huáinánzǐ 《淮南子》, jp. Enanji/Wainanji 『淮南子』] der Frühen Han-Dynastie (206 v.u.Z.–8 n.u.Z.). Ursprünglich wurde es als Honglie [ch. Hóngliè《鴻烈》] bezeichnet, ist aber auch bekannt unter den Werktiteln Huainan honglie [ch. Huáinán hóngliè 《淮南鴻烈》], Huainan neipian [ch. Huáinán nèipiān 《淮南內篇》], Huainan wangshu [ch. Huáinán wángshū 《淮南王書》] und Liuanzi [ch. Liúānzǐ 《劉安子》]. Der letztgenannte Liu An 劉安 (179–122 v.u.Z.) [ch. Liú Ān, jp. Ryū An] war der König von Huainan, heute eine Millionenstadt in der südöstlichen Binnenprovinz Anhui, und fungierte als gelehrter König zugleich als leitender Herausgeber des großenteils daoistischen Werkes, mit konfuzianischen und legalistischen Einschlägen.

Erfahrung ist der beste Lehrer.

門前の小僧習わぬ経を読む
Monzen no kozō narawanu kyō o yomu
Die Laufburschen vor dem Tempeltor rezitieren Sutren, die sie im Vorbeigehen gelernt haben.
Gebrauch thut mehr, als aller Меister Lehr.
Die Übung macht allein die kunsterfahrne Meister. /
Es kommen nicht zum Zwek, blos denkend, scharfe Geister.
Übung macht den Meister.
Erfahrung ist der beste Lehrer.

門前の小僧習わぬ経を読む
Monzen no kozō narawanu kyō o yomu
A shop‐boy near a temple will recite Buddhist scriptures without being taught.
A boy living near a Buddhist temple can learn an untaught sutra by heart.
A saint’s maid quotes Latin.
Solus et artifices qui facit, usus erit.
A good candleholder proves a good gamestar.
Experience is the best teacher.

Anmerkung
Diese sprichwörtliche Redensart steht auf der 45. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels von Edo (Edo Iroha Karuta), heute Tokyo.

Das dreifache W[eh]

「飲む、打つ、買う」
Nomu, utsu, kau
Trinken, Spielen, Huren.
„Wein und Weib und Würfel / Ist ein dreifach W.“ (Hoffmann von Fallersleben, 1798–1874)

「飲む、打つ、買う」
Nomu, utsu, kau
Drinking, gambling, whoring.
Dicing, drabbing and drinking are three D’s to destruction.

Anmerkung
Das komplette Gedicht von August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), lautet wie folgt.

Das W.

Wein und Weib und Würfel
Ist ein dreifach W,
Liegt mir auf dem Herzen,
Wo ich geh’ und steh.

Mancher ist gewandert
Durch gar manches Land,
Wollt ein Kräutlein finden,
Was sein W verbannt.

Ich auch müßt’ es suchen,
Wär mein W ein Weh;
Doch mein Wohl auf Erden
Schreibt sich nur mit W.

Vier Augen sehen mehr als zwei. [2]

三人寄れば文殊の知恵
Sannin yoreba Monju no chie
Kommen drei zusammen, haben sie die Weisheit des Manjushri.
Wenn drei gewöhnliche Menschen zusammenkommen und sich miteinander beraten, kann die Weisheit des Bodhisattva Manjushri entstehen.
Vier Augen sehen mehr als zwei.

三人寄れば文殊の知恵
Sannin yoreba Monju no chie
If three people gather, they have the wisdom of Manjushri.
Two heads are better than one.
Four eyes see more than two.