Der Blick für das große Ganze [1]

針の穴から天を覗く
Hari no ana kara ten o nozoku
Durch ein Nadelöhr den Himmel betrachten.
Eine engstirnige Sicht der Dinge haben.
Keinen Blick über den Tellerrand werfen.
Eine begrenzte Auffassung haben.
Nicht weiter als bis zur eigenen Nasenspitze sehen.
Keinen Blick für das große Ganze haben.

針の穴から天を覗く
Hari no ana kara ten o nozoku
Observing the sky through the eye of a needle.
To view the world from a narrow perspective.
To have a narrow-minded view of things.
To have a narrow worldview.
Think outside the box.
You have to see the big(ger) picture.

Anmerkung
Diese sprichwörtliche Redensart ist eine Metapher für Engstirnigkeit und steht auf der 3. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels in Kyoto (Kyoto Iroha Karuta), das vorzugsweise um Neujahr gespielt wurde und wird. Es existiert eine Reihe von sinnverwandten Redensarten, wie z.B. Kuda no ana kara ten o nozoku 管の穴から天を覗く [Durch das Loch eines dünnen Rohres den Himmel betrachten] oder Kagi no ana kara ten o nozoku 鍵の穴から天を覗く [Durch ein Schlüsselloch den Himmel betrachten].

Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie.

論語読みの論語知らず
Rongo yomi no rongo shirazu
Die Analekten des Konfuzius dem Wortlaut nach gelesen haben, aber seinen sittlichen Gehalt und Geist nicht begreifen können (oder wollen).
Ein Schriftgelehrter, der Theorie nicht anwenden kann (oder will).
Der Theoretiker weiß, wie es geht, aber es geht nicht. Der Praktiker weiß nicht, wie es geht, aber es geht.
Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie.

論語読みの論語知らず
Rongo yomi no rongo shirazu
Not understanding the Analects, although the Analects are read.
A scholar of Confucius’ teachings and his conversations, but unable to practically apply Confucian ethics.
Someone who knows a theory, but cannot apply it.
A mere scholar, a mere ass.

Anmerkung
Dieses Sprichwort steht auf der 2. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels von Kyoto (Kyoto Iroha Karuta), das vorzugsweise um Neujahr gespielt wurde und wird. „Rongo“ ist die japanische Bezeichnung für das auf den chinesischen Gelehrten Konfuzius (ca. 551 v.u.Z. bis ca. 479 v.u.Z.) zurückgehende „Lún Yǔ“ 論語 [Kurzzeichen 论语, deutsch „Gespräche des Konfuzius“, „Analekten des Konfuzius“ oder auch „Gesammelte Aussprüche des Konfuzius“], ein Klassiker der konfuzianischen Literatur.

Der Frosch im Brunnen und das weite Meer

井の中の蛙大海を知らず
I no naka no kawazu taikai o shirazu
Der Frosch im Brunnen kennt den Ozean nicht.
Der Frosch im Brunnen weiß nichts vom weiten Meer.
Eine engstirnige Sicht der Dinge haben.
Keinen Blick über den Tellerrand werfen.
Nicht weiter als bis zur eigenen Nasenspitze sehen.
Keinen Blick für das große Ganze haben.

井の中の蛙大海を知らず
I no naka no kawazu taikai o shirazu
The frog in the well knows nothing of the great ocean.
He/She that stays in the valley shall never get over the hill.
Being unable to see beyond the end of one’s nose.
To have a narrow worldview.
Think outside the box.
You have to see the big(ger) picture.

Dem Weisen genügt ein Wort.

一を聞いて十を知る
Ichi o kiite jū o shiru
Eins hören und zehn wissen.
Dem Weisen genügt die Andeutung einer Sache, um das ganze Bild zu verstehen.
Verbum sat sapienti. (Terenz)
Dem Weisen genügt ein Wort.

一を聞いて十を知る
Ichi o kiite jū o shiru
A wise man hears one word and understands ten.
A word to the wise is enough.
Verbum sat sapienti. (Terenz)
Half a word is enough for a wise man.

Anmerkung
Dieses Sprichwort steht auf der 1. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels von Osaka (Osaka Iroha Karuta), das vorzugsweise um Neujahr gespielt wurde und wird.

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. [6]

売り言葉に買い言葉
Urikotoba ni kaikotoba
Auf die Rede des Verkäufers die Rede des Käufers. [i.ü.S.]
Ein (boshaftes) Wort gibt das andere.
Rede und Gegenrede werden immer heftiger.
Gemeinen Worten folgen gehässige Äußerungen.
Wie man sich bettet, so liegt man.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

売り言葉に買い言葉
Urikotoba ni kaikotoba
One ill word asks another.
One word led to another.
As you make your bed, so you must lie on it.
What goes around, comes around.

Anmerkung
Der Begriff „verkaufen“ [uru 売る] wird in dieser sprichwörtlichen Redensart im Sinne von bewußt und absichtsvoll „einen Streit anfangen“ [kenka o shikakeru 喧嘩を仕掛ける] verwendet. Es handelt sich um ein Gleichnis für eine vergleichsweise ähnlich grobe Antwort auf die rücksichtslosen Worte des Kommunikationspartners. Als realistisches Anwendungsbeispiel im Alltag ist eine Entschuldigung am Morgen nach einem Streit am Vortag zwischen Eheleuten gut vorstellbar, etwa im Sinne von „Gestern hat sich die Sache hochgeschaukelt, ich hab’s nicht so gemeint. Verzeih mir bitte.“:   【用例】  「昨日のは売り言葉に買い言葉というやつで、本心じゃなかったんだ。どうか許しておくれよ。」

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. [5]

自縄自縛
jijō jibaku
Sich mit dem eigenen Seil fesseln.
In die eigene Falle tappen.
Verlust der Freiheit durch eigene Schuld.
Sich durch eigene Worte und Taten bewegungsunfähig machen.
Der Vogelfänger verfängt sich im eigenen Netz.
Wie man sich bettet, so liegt man.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

自縄自縛
jijō jibaku
To tie yourself up with your own rope.
To truss oneself up with one’s own rope.
To be caught in one’s own trap.
To lose one’s freedom of action as a result of one’s own actions.
The fowler is caught in his own net.
As you make your bed, so you must lie on it.
What goes around, comes around.

Hinterher ist man immer klüger. [2]

先見の明より後知恵の方がまし
Senken no mei yori atojie no hō ga mashi
Das Wissen im Nachhinein ist leichter als die Weisheit und die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen.
Hätte, hätte, Fahrradkette! [ugs.]
Es ist leicht, nach dem Ereignis klug zu sein.
Hinterher weiß es jeder besser.
Hinterher ist man immer klüger als vorher.
Hinterher ist man immer klüger.

先見の明より後知恵の方がまし
Senken no mei yori atojie no hō ga mashi
An afterwit is everybody’s wit.
shoulda coulda woulda [coll.]
Hindsight is always twenty-twenty.
It is easy to be wise after the event.
Afterwit comes over late.
Hindsight is easier than foresight.

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. [4]

自業自得
jigō jitoku
Die Früchte seiner eigenen Saat ernten.
Ut sementem feceris, ita metes.
Man erntet, was man sät.
Wie man sich bettet, so liegt man.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

自業自得
jigō jitoku
As you sow, so shall you reap.
You asked for it!
It serves you right.
As you make your bed, so you must lie on it.
What goes around, comes around.

Anmerkung
In der modernen japanischen Gegenwartssprache wird das Vier-Schriftzeichen-Kompositum jigō jitoku 自業自得 häufig als Mahnung, Tadel oder Rüge benutzt.

Hinterher ist man immer klüger. [1]

下衆の後知恵
Gesu no atojie
Eine vulgäre späte Einsicht.
Es ist leicht, nach dem Ereignis klug zu sein.
Hinterher weiß es jeder besser.
Hinterher ist man immer klüger als vorher.
Hinterher ist man immer klüger.

下衆の後知恵
Gesu no atojie
A mean hindsight.
An afterwit is everybody’s wit.
It is easy to be wise after the event.
Afterwit comes over late.
Hindsight is easier than foresight.

Anmerkung
Gesu no atojie kann außer 「下衆の後知恵」 auch 「下種の後知恵」 oder 「下司の後知恵」 geschrieben werden.

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. [3]

悪因悪果
akuin akka
Schlechte Ursache, schlechte Wirkung.
Schlechte Saat, schlechte Ernte.
Man erntet, was man sät.
Böse Tat, böses Schicksal.
Wie man sich bettet, so liegt man.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

悪因悪果
akuin akka
Sow evil and reap evil.
An ill life, an ill end.
As you sow, so you shall reap.
You reap what you sow.
As you make your bed, so you must lie on it.
What goes around, comes around.

Das positive Gegenstück zu akuin akka 悪因悪果 lautet wie folgt:

善因善果
zen’in zenka
Gute Ursache, gute Wirkung.
Gute Tat, gutes Schicksal.

善因善果
zen’in zenka
Good life, good end.
Good deeds will be rewarded.