Wer viel spricht, handelt wenig.

「多弁能なし」
Taben nō nashi
Große Worte und nichts dahinter.
Viele Worte, wenig Taten.
Wer viel spricht, handelt wenig.
[William Shakespeare, Richard III., 1. Akt, 3. Szene]

「多弁能なし」
Taben nō nashi
Great talkers are little doers.
A barking dog is never a good hunter.
Talkers are no good doers.
[William Shakespeare, Richard III, Act 1, Scene 3]

Anmerkung
Die deutsche Übersetzung des Shakespeare-Zitats „Wer viel spricht, handelt wenig.“ findet sich zum Beispiel im folgenden Wörterbuch: Englisch-Deutsches und Deutsch-Englisches Wörterbuch von Newton Ivory Lucas, ordentlichem Lehrer an der Hauptschule zu Bremen. In zwei Bänden. Band I. Englisch-Deutsch. Zweite Abtheilung. L – Z. Bremen: C. Schünemann’s Verlag|London: Longman, Brown, Green and Longmans, 1856, S. 1740.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. [2]

人を呪わば穴二つ
Hito o norowaba ana futatsu
Wer jemanden verflucht, gräbt zwei Löcher.
Wenn man jemanden verwünscht, schaufelt man zwei (Grab-) Löcher (davon eins für sich).
Corvus corvo negridinem obiecit.
Ein Rabe wirft dem (anderen) Raben seine Schwärze vor.
Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? (Mt 7,3)
Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

人を呪わば穴二つ
Hito o norowaba ana futatsu
If you curse someone, there are two holes.
Curses, like chickens, come home to roost.
Curses return upon the heads of those that curse.
Harm set, harm get.
The biter will be bitten.
Who spits against heaven, it falls in his face.
People who live in glass houses should not throw stones.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. [1]

猿の尻笑い
Saru no shiriwarai
Ein Affe (mit rotem Hintern) lacht über den (roten) Hintern des anderen.
Da redet der Topf über den Tiegel.
Ein Esel schimpft den anderen Langohr.
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

猿の尻笑い
Saru no shiriwarai
A monkey (with red buttocks) laughs at another’s (red) buttocks.
The pot calling the kettle black.
Don’t throw bricks when you live in a glass house.
People who live in glass houses should not throw stones.

Kleinvieh macht auch Mist.

「塵も積もれば山となる」
Chiri mo tsumoreba yama to naru
Selbst Staub wird zum Berg, wenn er sich anhäuft.
Aus kleinen Samen wachsen die größten Bäume.
Aus Kleinem kann etwas Großes wachsen.
Alle großen Dinge haben bescheidene Anfänge.
Kleinvieh macht auch Mist.

「塵も積もれば山となる」
Chiri mo tsumoreba yama to naru
Even dust, when piled up, will become a mountain.
From little acorns grow large oak trees.
A penny saved is a penny earned.
Many a little makes a mickle.
Every little counts.

Anmerkung
Das Sprichwort steht auf der 8. von 48 Karten des traditionellen japanischen Iroha-Kartenspiels von Edo (Edo Iroha Karuta), heute Tokyo.

Im Alter

老いては子に従え
Oite wa ko ni shitagae
Wenn man alt ist, soll man auf die Ratschläge seiner Kinder hören.
Alte sollten auf den Rat ihrer Kinder hören.
Im Alter hör auf die Kinder.

老いては子に従え
Oite wa ko ni shitagae
When you get old, you had better take your children’s advice.
When you are old, be guided by your children.
When old, obey your children.

Anmerkung
Dieses Sprichwort steht auf der 12. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels von Edo (Edo Iroha Karuta), dem heutigen Tokyo.

Not kennt kein Gebot. [2]

必要の前に法律なし
Hitsuyō no mae ni hōritsu nashi
Necessitas non habet legem.
Noth hat kein Geboth.
Not kennt kein Gebot.

必要の前に法律なし
Hitsuyō no mae ni hōritsu nashi
Necessitas non habet legem.
Necessity has no law.
Necessity knows no law.

Form versus Inhalt

花より団子
Hana yori dango
Knödel sind besser als Blumen.
Der Bauch ist mir näher am Herzen als das Hirn.
Praktische Werte sind wichtiger als Ästhetik.
Der Inhalt ist wichtiger als die Verpackung.
Form ist wichtig, aber Inhalt ist wichtiger.
„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
(Bertolt Brecht, Die Dreigroschenoper, 1928)

花より団子
Hana yori dango
Dumplings are better than flowers.
First comes a full stomach, then comes ethics.
“Grub first, then ethics.”
(Bertolt Brecht, The Threepenny Opera, 1928)

Anmerkung
Dieses Sprichwort steht auf der 3. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels von Edo (Edo Iroha Karuta), dem heutigen Tokyo, und Osaka (Osaka Iroha Karuta), das vorzugsweise um Neujahr gespielt wurde und wird.

Das Böse und das Gute

邪は正に敵し難し
Ja wa sei ni tekishigatashi
Virtue triumphs over vice in the end.
Das Böse kann nicht über das Gute triumphieren.

Anmerkung
»Das Gute« und »Das Böse« sind zwei exakte und zugleich unscharfe Begriffe für ganz grundsätzlich mit einem Plus- und Minuszeichen versehene, inhaltsleere Totalabstraktionen des sittlich Wertvollen und moralisch Erstrebenswerten sowie des Gegenteils. Wenn politisch Mächtige Anleihen aus Religion und Philosophie nehmen und einen Kampf von Gut gegen Böse ausrufen und weitere antagonistische Totalabstraktionen titels »Freiheit« versus »Unfreiheit«, »Unterdrückung« und »Herrschaft«, die man stets nur im anderen, gegnerischen Lager entdeckt, ausmachen, sind ein kühler Kopf und geistige Distanz gefragt. Die argumentfrei-optimistische Behauptung „Das Böse kann nicht über das Gute triumphieren.“ ist und bleibt ein abstrakter, falscher, frommer Wunsch und paßt möglicherweise zu zwei Zitaten von Onkel Nolte, der schopenhauernd und pharisäernd im Epilog in „Die Fromme Helene“ von Wilhelm Busch (1832–1908) Folgendes in den Mund gelegt bekommt:

„Das Gute — dieser Satz steht fest —
Ist stets das Böse, was man läßt!“

„Ei ja — Da bin ich wirklich froh!
Denn, gottseidank! Ich bin nicht so!!“

Quelle: Wilhelm Busch: Die Fromme Helene. Erste Auflage. Heidelberg: Bassermann, 1872. Epilog, S. 113.

Der Kopf einer Sardine oder der Schwanz einer Meerbrasse

鶏口となるも牛後となるなかれ
Keikō to naru mo gyūgo to naru nakare
Lieber der Schnabel eines Huhns als der Schwanz eines Ochsen sein.
„Mallem hic primus esse quam Romae secundus.“ (Gaius Julius Caesar, 100–44 v.u.Z.)
„Lieber der Erste hier als der Zweite in Rom.“
Lieber der Erste im Dorf als der Zweite in der Stadt!

鶏口となるも牛後となるなかれ
Keikō to naru mo gyūgo to naru nakare
Better be the head of a chicken than the tail of an ox.
Better be the head of a dog than the tail of a lion.
“I would rather be first here than second at Rome.”
Better be first in a village than second in the capital.

Anmerkung
Neben „Lieber der Schnabel eines Huhns als der Schwanz eines Ochsen sein.“ [鶏口となるも牛後となるなかれ Keikō to naru mo gyūgo to naru nakare] gibt es in der japanischen Gegenwartssprache eine Reihe von synonymen sprichwörtlichen Redensarten, wie zum Beispiel: „Selbst bei den Saatkartoffeln ist eine Mutterknolle eine Mutterknolle.“ [Imogashira de mo kashira wa kashira 芋頭でも頭は頭], „Lieber der Kopf eines kleinen Vogels als der Schwanz eines großen Vogels.“ [Ōtori no o yori kotori no kashira 大鳥の尾より小鳥の頭] und „Lieber der Kopf einer Sardine als der Schwanz einer Meerbrasse.“ [Tai no o yori iwashi no kashira 鯛の尾より鰯の頭]. Der Ausspruch existiert in Japan sowie in China auch als kompaktes Vier-Schriftzeichen-Kompositum. Auf Japanisch keikō gyūgo [鶏口牛後] und auf Chinesisch jī kǒu niú hòu [Kurzzeichen 鸡口牛后, Langzeichen 鶏口牛後], wörtlich etwa „Hühnerschnabel und Ochsenhintern“ im Sinne von „Lieber der Schnabel eines Geflügels als das Hinterteil eines Ochsen.“ [ch. “宁为鸡口,无为牛后” níngwéi jīkǒu, wúwéi niúhòu, Langzeichen: “寧為雞口,无無為後”]. In der Gegenwart würde man diese länder- und kulturübergreifend insbesondere Entrepreneuren und Leadern zugeschriebene Geisteshaltung möglicherweise wie folgt übersetzen: „Lieber der unumschränkte Chef einer kleineren Gruppe als Befehlsempfänger in einer größeren Organisation sein!“

Der Ausspruch Caesars „Lieber der Erste hier als der Zweite in Rom.“ [„Mallem hic primus esse quam Romae secundus.“] stammt aus einer Parallelbiographie von Plutarch (ca. 46–125 n.u.Z.) über Gaius Julius Caesar (100–44 v.u.Z.) und Alexander den Großen (356–323 v.u.Z.) und ist daher auf Altgriechisch überliefert [„παρὰ τούτοις εἶναι μᾶλλον πρῶτος ἢ παρὰ Ῥωμαίοις δεύτερος.“]. Plutarch pflegte in seinen biographischen Schriften einen anekdotischem Stil und stellte darin die individuellen Denkweisen, Stimmungen und Leidenschaften großer Männer vor. Caesar soll den Ausspruch im Jahr 61 v.u.Z. gegenüber seinen Begleitern in der Nähe eines alpinen Dorfes auf dem Weg von Gallien zur Iberischen Halbinsel getätigt haben. Eine englische Übersetzung findet sich in Plutarchus (1914): Plutarch’s Lives. In eleven volumes. With an English translation by Bernadotte Perrin. Volume 7: Demosthenes and Cicero. Alexander and Caesar. Cambridge, MA: Harvard University Press. London: William Heinemann, S. 469.

Goldene Regel [1]

「他人にしてもらいたいと思うような行為をせよ」
Tanin ni shite moraitai to omou yō na kōi o seyo
Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.
Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.

「他人にしてもらいたいと思うような行為をせよ」
Tanin ni shite moraitai to omou yō na kōi o seyo
One should treat others as one would like others to treat oneself.
One should not treat others in ways that one would not like to be treated.

Anmerkung
Für Europäer war die „Goldene Regel“ kein Reim und stammte aus der Bibel, nämlich aus der Bergpredigt von Jesus (Evangelium des Matthäus, Kapitel 7, Vers 12). Die Herkunft des ethischen und philosophischen Gehalts der Goldenen Regel (lat. regula aurea) wird tatsächlich einer Reihe von Autoren und philosophischen Richtungen aus unterschiedlichen Erdregionen zugeschrieben. Einer davon ist ein chinesischer Gelehrter. Konfuzius (ca. 551 v.u.Z. bis ca. 479 v.u.Z.), im chinesischen Original 孔子 [Kǒngzǐ, etwa „Meister Kong“, jp. Kōshi], führte den Eigennamen Kǒng Qiū 孔丘 und besaß zwei Nachnamen, von denen 子 [Zi] die Ahnenlinie und 孔 [Kong] den Familienzweig markierte. Möglicherweise wurde er von seinen Schülern schlicht mit 子 [Zi, etwa „Meister“] angesprochen. In der Literatur tauchen zahlreiche Namen und Titel auf, die ihm häufig posthum verliehen wurden. Die von europäischen Missionaren wie dem italienischen Jesuiten Matteo Ricci (1552–1610) später verbreitete latinisierte Form „Confucius“ stammt von der honorativen Bezeichnung Kǒng Fūzǐ [孔夫子, etwa „Großmeister Kong“]. Seine Fassung der Goldenen Regel stammt aus Kapitel 15, Vers 23 des Lún Yǔ 論語 [Kurzzeichen 论语, deutsch „Gespräche des Konfuzius“, „Analekten des Konfuzius“ oder auch „Gesammelte Aussprüche des Konfuzius“], einem Klassiker der konfuzianischen Literatur:

「己所不欲,勿施於人」
jǐ suǒ bú yù, wù shī yú rén
»Was du selbst nicht wünschest, tu nicht an andern.«
(Übersetzung Richard Wilhelm)