In der Nacht sind alle Katzen grau.

夜目遠目笠の内
Yome tōme kasa no uchi
Bei Nacht, aus der Ferne, mit Hut.
Im Dunkeln, aus der Distanz betrachtet und mit Hut sehen Frauen [und Männer] attraktiver aus.
In der Nacht sind alle Katzen grau.

夜目遠目笠の内
Yome tōme kasa no uchi
In the dark, at a distance, wearing a hat.
Choose neither a woman [nor a man] nor linen by candlelight.
All colors will agree in the dark.
All cats are grey by night.

Anmerkung
Dieses Sprichwort steht auf der 15. von 48 Karten des traditionellen Iroha-Kartenspiels von Kyōto (Kyōto Iroha Karuta) und Kamigata (Kamigata Iroha Karuta). Der geographische Begriff Kamigata bezeichnet i.e.S. Kyōto und Ōsaka, i.w.S. darüber hinaus auch die fünf anderen Präfekturen der Kinki-Region namens Hyōgo, Nara, Mie, Shiga und Wakayama. Während der Zeit des Tokugawa-Shogunates (1603–1868) bezeichnete Kamigata die fünf Provinzen Yamato (Präfektur Nara), Yamashiro (Süden der heutigen Präfektur Kyōto), Settsu (Teile der heutigen Präfekturen Ōsaka und Hyōgo), Kawachi (Osten der heutigen Präfektur Ōsaka) und Izumi (Süden der heutigen Präfektur Ōsaka).

Scheitern ist der Schlüssel zum Erfolg. [1]

失敗は成功の基
Shippai wa seikō no moto
Niederlagen sind die Grundlage für Erfolg.
Niederlagen sind die Pfeiler des Erfolgs.
Scheitern ist die Vorstufe des Erfolgs.
Lerne aus deinen Fehlern.
Scheitern ist der Schlüssel zum Erfolg.

失敗は成功の基
Shippai wa seikō no moto
Failure is the foundation of success.
Failure is a stepping stone to success.
Failure teaches success.
Learn from your mistakes.
Failure is the key to success.

Morgen weht der Wind von Morgen.

明日は明日の風が吹く
Ashita wa ashita no kaze ga fuku
Morgen weht der Wind von Morgen.
„Et kütt wie et kütt.“
[Artikel 2 des Rheinischen Grundgesetzes]
Sorge Dich nicht um morgen.
Es geht immer weiter.
Lebe in der Gegenwart.

明日は明日の風が吹く
Ashita wa ashita no kaze ga fuku
Tomorrow blows tomorrow’s wind.
Let the morn come and the meat with it.

Heute rot, morgen tot.

朝には紅顔ありて夕べには白骨となる
Ashita ni wa kōgan arite yūbe ni wa hakkotsu to naru
Am Morgen ein rosiges Gesicht, am Abend weiße Knochen.
Niemand weiß, wann und wie er/sie selbst sterben wird.
Heute rot, morgen tot.

朝に紅顔あって夕べに白骨となる
Ashita ni kōgan atte yūbe ni hakkotsu to naru
A rosy face in the morning, white bones in the evening.
Today red, tomorrow dead.

Anmerkung
Das japanische Original hat nichts mit antikommunistischen Parolen des 20. Jahrhunderts zu tun, sondern stammt von einem renommierten spätmittelalterlichen Vertreter des Nichiren-Buddhismus zur Muromachi-Zeit (1392–1573). Der buddhistische Meister Rennyo 蓮如 beziehungsweise Rennyo Shōnin 蓮如上人 (1415–1499) erinnert mit diesem Satz in seinem Brief [„Hakkotsu no Ofumi/Gobunshō“ 「白骨の御文(章)」] als 8. Erzabt der Wahren Schule des Reinen Landes [Jōdo Shinshū 浄土真宗] an die Vergänglichkeit und die Unsicherheiten des menschlichen Lebens und Sterbens. Er ruft dazu auf, an Amitābha, den Buddha des Reinen Landes [jp. Amida Nyorai 阿弥陀如来], zu glauben und empfiehlt, Buddhas Namen zu rezitieren. Im Kern ist der Satz als Aufruf zur rechten – buddhistischen – Lebensweise zu verstehen.

Über der englischen Übersetzung steht eine ebenfalls verbreitete Fassung in der modernen japanischen Gegenwartssprache. Der Original-Brief mit Kanji und Katakana lautet: 「朝ニハ紅顔アリテ夕ニハ白骨トナレル」. Die moderne Kana-Orthographie mit Kanji und Hiragana lautet: 「朝には紅顔ありて夕には白骨となれる」. Die säkulare Variante „Heute rot, morgen tot.“ ist eine mögliche, aber nur grobe semantische Annäherung.

Wer zwei Hasen jagt, fängt keinen. [2]

虻蜂取らず
Abu hachi torazu
Weder Bremse noch Wespe fangen.
Wer zweierlei zugleich will, bekommt nichts.
Wer zu viel will, bekommt gar nichts.
Wer zwei Hasen jagt, fängt keinen.

虻蜂取らず
Abu hachi torazu
To catch neither horsefly nor wasp.
Between two stools one falls to the ground.
He that hunts two hares loses both.
If you run after two hares, you will catch neither.

Wo Nichtwissen Seligkeit, ist es Torheit, weise zu sein.

「知らないのが幸福なら、知ることは愚か」(トマス・グレイ、1716~1771)
Shiranai no ga kōfuku nara, shiru koto wa oroka
“Where ignorance is bliss, ’tis folly to be wise.”
„Wo Nichtwissen Seligkeit, ist es Torheit, klug zu sein.“ (Thomas Gray, 1716–1771)

Anmerkung
Das Zitat stammt aus den beiden letzten Zeilen des von Thomas Gray im Jahr 1742 verfaßten Gedichts „Ode on a Distant Prospect of Eton College“ (veröffentlicht 1747).

Wenig ist besser als nichts.

有るは無いに勝る
Aru wa nai ni masaru
Etwas ist besser als nichts.
Man hat, was man hat.
Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.
Wenig ist besser als nichts.

有るは無いに勝る
Aru wa nai ni masaru
Something is better than nothing.
A bird in the hand is worth two in the bush.
A crust is better than no bread.
Half a loaf is better than none.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. [2]

瓜の蔓に茄子はならぬ
Uri no tsuru ni nasubi wa naranu
An einer Melonenranke wächst keine Aubergine.
Aus qualitativ Minderwertigem entsteht nichts qualitativ Hochwertiges.
Adler brüten keine Tauben.
Aus nichts wird nichts.
Aus einem Ackergaul wird kein Rennpferd.
Von schlechtem Korn kommt keine gute Saat.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

瓜の蔓に茄子はならぬ
Uri no tsuru ni nasubi wa naranu
Around a gourd tendril an eggplant will not grow.
We cannot make something good out of something naturally inferior in quality.
Eagles do not breed doves.
Nothing comes from nothing.
Of evil grain, no good seed can come.
You cannot make a silk purse out of a sow’s ear.
The apple doesn’t fall far from the tree.

Anmerkung
Dieses Sprichwort darf nicht lobend gebraucht werden. Eine richtige typische Anwendung lautet wie folgt: 【用例】 「瓜の蔓に茄子はならぬで、私も父と同じように平凡な会社員だ」 „Es heißt ja ‚An einer Melonenranke wächst keine Aubergine.‘, auch ich bin wie mein Vater [nur] ein mittelmäßiger Firmenangestellter.“

Die Wahrheit und die Lüge

「真理を知らないやつはただの馬鹿者だ。
Shinri o shiranai yatsu wa tada no bakamono da.
だが真理を知りながら
Da ga shinri o shirinagara
それを虚偽というものは犯罪人だ」
sore o kyogi to iu mono wa hanzainin da.
“Someone who doesn’t know the truth is just thick-headed.
But someone who does know it and calls it a lie is a crook.”
„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß, und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ (Galileo Galilei, 1564–1642)

Quelle: Bertolt Brecht, Leben des Galilei, 9. Szene, 1943 in Zürich uraufgeführt.
典拠:ベルトルト・ブレヒト 『ガリレオ・ガリレイの生涯』 1943にチューリヒにて初演.

Beharrlichkeit führt zum Ziel.

雨垂れ石を穿つ
Amadare ishi o ugatsu
Regentropfen höhlen den Stein aus.
Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendo.
Der Tropfen höhlt den Stein nicht durch Gewalt, sondern durch häufiges Fallen.
La goccia scava la pietra.
Steter Tropfen höhlt den Stein.
Beharrlichkeit führt zum Ziel.

雨垂れ石を穿つ
Amadare ishi o ugatsu
Constant dropping wears away a stone.
Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendo.
The drop of water hollows the rock not by force, but by often falling.
With ordinary talent and extraordinary perseverance, all things are attainable.
Little strokes fell big oaks.
Perseverance will bring success.

Anmerkung
Zu dem japanischen Sprichwort Amadare ishi o ugatsu 「雨垂れ石を穿つ」 gibt es eine Reihe von sinnverwandten Sprichwörtern. Semantisch am nächsten stehen ihm Suiteki ishi o ugatsu 「水滴石を穿つ」 und Tenteki ishi o ugatsu 「点滴石を穿つ」. Als Herkunft des Sprichwortes gilt das chinesische Geschichtswerk Hàn Shū 《汉书》 / 《漢書》, japanisch Kanjo 『漢書』. Es wurde in der Späten Han-Dynastie (auch Östliche Han-Dynastie, 25 bis 220 n.u.Z.) herausgegeben und ist die wichtigste Quelle zur Frühen Han-Dynastie (auch Westliche Han-Dynastie, 206 v.u.Z. bis 8 n.u.Z.) sowie zur Herrschaft des chinesischen Kaisers Wáng Mǎng, dessen Regierungszeit von 9 bis 23 n.u.Z. als Interregnum im Bürgerkrieg endete und in die Späte Han-Dynastie mündete. Das ältere klassische Sprichwort lautet shuǐdī shíchuān 水滴​石穿, das jüngere dīshuǐ chuānshí 滴水​穿石. Beide existieren bislang in der chinesischen Gegenwartssprache fort.