Muttertag in Japan

「母の日」
Haha no Hi
Mother’s Day
Muttertag

Als „Mutter des Muttertages“ gilt Ann Maria Reeves Jarvis (1832–1905) aus Philadelphia in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wurden mit dem „Muttertag“ anfänglich vor allem Ziele der Arbeiter-, Frauen- und Friedensbewegung verfolgt, so wandelte er sich im Laufe der Zeit zu einem Tag zu Ehren der Mutter und der Mutterschaft. In Japan wurde der Muttertag nach dem Ende der Meiji-Zeit (1868–1912) zunächst von christlichen Kirchen um das Jahr 1915 eingeführt und begangen. Für die landesweite Verbreitung des Muttertages machte sich vor allem der Süßwarenhersteller Morinaga & Co., Ltd. (Morinaga Seika KK) seit 1937 durch landesweite Werbeaktionen einen Namen. Vom Beginn der Shōwa-Zeit (1926–1989) bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges fiel der Muttertag in Japan mit dem Geburtstag der Ehefrau des Tennō Hirohito (1901–1989), Kaisergemahlin Kōjun (Kōjun Kōgō, 1903–2000), zusammen. Ende der 1930er, Anfang der 1940er Jahre wurde die intellektuelle Essenz und der ideologische Kern der Mädchenerziehung seit der Meiji-Zeit, nämlich unbedingt „Eine gute Ehefrau und kluge Mutter“ [ryōsai kenbo 良妻賢母] zu werden, in eine Mission für den Endsieg in einem totalen Krieg erweitert: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ [Umeyo fuyaseyo! 生めよ増やせよ] In der Gegenwart fällt der Muttertag in Japan wie in den USA und zahlreichen anderen Ländern auf den zweiten Sonntag im Mai.

In diesem Zusammenhang vielleicht erwähnenswert: Seit 2004 schrumpft die japanische Bevölkerung nachhaltig und sukzessive zunehmend. Am 1. Oktober 2005 belief sich die Gesamtbevölkerung Japans auf rund 127.760.000 Menschen, das waren etwa 20.000 weniger als ein Jahr zuvor. Mit anderen Worten: Das Bevölkerungswachstum in Japan erreichte mit 127,78 Mio. Menschen Anfang Oktober 2004 seinen historischen Höhepunkt. Sechs Jahre lang war Japan auf Platz 9 der bevölkerungsreichsten Länder, 2005 wurde es von Nigeria überholt und auf Platz 10 verwiesen (Yomiuri Shimbun, 13.10.2005, S. 2). Seit 2006 ist Japan eine Gesellschaft mit einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung, man spricht auch von einer negativen Geburtenbilanz, weil die Zahl der Sterbefälle die Zahl der Lebendgeborenen überwiegt. Eine Gesellschaft mit einem (nachhaltigen) Sterbeüberschuß heißt auf Japanisch „shōsan tashi shakai“ 少産多死社会.

Wer meint, kriegszeitliche Aufrufe an Frauen zum Gebären von mehr Kindern vor sieben, acht Jahrzehnten seien in einem Blog zum Muttertag deplaziert, möge sich an die rezente Verwendung des Begriffs „Gebärmaschine“ für Frauen in Japan und Deutschland erinnern.

Hakuo Yanagisawa (geboren 1935), seit September 2006 japanischer Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales der Liberaldemokratischen Partei (LDP, Jiyū Minshutō), bezeichnete japanische Frauen zwischen 15 und 50 Jahren am 27. Januar 2007 während einer rund 30-minütigen Rede im Kontext von Maßnahmen gegen die sinkende Geburtenrate in Matsue, Hauptstadt der Präfektur Shimane, vor liberaldemokratischen Abgeordneten der Präfekturversammlung und möglichen Parteispendern als „Gebärmaschinen“ beziehungsweise „Gebärapparate“ [„umu kikai, sōchi“ 「産む機械、装置」]. Fairerweise sollte auch erwähnt werden, daß er entschuldigende Phrasen wie „Entschuldigen Sie, daß ich Maschinen sage“ [„kikai to itte mōshiwakenai kedo“ 「機械と言って申し訳ないけど」 und „kikai to itte gomen nasai ne“  「機械と言ってごめんなさいね」] eingestreut hatte, sich also dem Sinn der Wortwahl bewußt war. Zeitungsartikel dazu findet man im Internet umgehend, wenn man auf Japanisch nach Begriffen wie „Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales bezeichnet Frauen als Gebärmaschinen – Äußerung zum Geburtenrückgang“ [„‚Josei wa kodomo umu kikai‛ Yanagisawa Kōrōshō, Shōshika meguri hatsugen“ 「女性は子ども産む機械」 柳沢厚労相、少子化巡り発言] sucht.

In Deutschland ist der Begriff der „Gebärmaschine“ im politischen Dialog zwischen christlichen Humanisten an exponierter Stelle auch nicht gänzlich unbekannt. So kritisierte der Augsburger Bischof Walter Mixa (geboren 1941) knapp vier Wochen nach Minister Yanagisawas Äußerung am 22. Februar 2007 die Familien-Förderpolitik der siebenfachen Mutter und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (geboren 1958) im Allgemeinen und die Erhöhung der Zahl der Krippenplätze in Deutschland im Besonderen als „kinderfeindlich und ideologisch verblendet“ und warf der Ministerin vor, Frauen zur „Gebärmaschine“ zu degradieren und die Doppelverdiener-Ehe zum „ideologischen Fetisch“ zu erheben.