KEPCO verkündet dritte Laufzeitverlängerung für einen japanischen Kernreaktor im Juni 2017

Kommerzielle Leistungsreaktoren waren in Japan – wie international üblich – im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Kapitalrückfluß- und Gewinnrechnung ursprünglich für eine 40-jährige Laufzeit kalkuliert und ausgelegt. Die japanische Atomaufsichtsbehörde NRA [Nuclear Regulation Authority, Genshiryoku Kisei Iinkai] genehmigte 2016 drei Druckwasserreaktoren des zweitgrößten japanischen Stromkonzerns KEPCO [Kansai Electric Power Co., Inc., Kansai Denryoku] eine 20-jährige Laufzeitverlängerung über die alte 40-Jahres-Regel hinaus. Das waren im Juni 2016 die Kernreaktoren Takahama 1 (Inbetriebnahme 1974) und Takahama 2 (Inbetriebnahme 1975) sowie im November 2016 der Reaktor Mihama 3 (Inbetriebnahme 1976). Alle drei Kernreaktoren befinden sich in der Präfektur Fukui am Japanischen Meer (Nihonkai) und verfügen über eine installierte Nennleistung von jeweils 826 MWe (Megawatt elektrisch).

Die Abschaltung von drei Dutzend Kernkraftwerken im Laufe des Jahres 2011 und damit einhergehende gestiegene Importe von fossilen Brennstoffen aus Übersee hatten nach drei Jahrzehnten positiver Handelsbilanz dazu geführt, dass Japan im Fiskaljahr 2011 das erste Handelsbilanzdefizit seit 1980 hinnehmen musste. Obwohl es im Laufe der Zeit sukzessive vermindert werden konnte, ist es sechs Jahre nach der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 (Erdbeben, Riesenflutwelle, Kernschmelzen) immer noch nicht wieder positiv. Das ist ein Grund, warum sich die japanische Regierung unter Premierminister Abe durchgehend dafür eingesetzt hat, dass aktuell 5 von 42 verbliebenen, (noch) nicht stillgelegten Kernreaktoren die Stromproduktion wieder aufgenommen haben. Weitere Wiederinbetriebnahmen sollen folgen. Die Nachrüstung und die Verlängerung der Laufzeiten bestehender Kernkraftwerke sind einfacher durchzusetzen als der Bau neuer Reaktoren, wie die Geschichte der Stornierung von KKW-Bauvorhaben nicht zuletzt wegen Problemen bei der Standortsuche in einer von Erdbeben und Vulkanismus stark betroffenen Weltregion zeigt. In diesem Punkt hat Japan von den USA gelernt, wo über zwei, drei Jahrzehnte keine neuen Kernkraftwerke geplant wurden. [Watts Bar 1 ist eine Ausnahme, weil der Reaktor der Tritium-Produktion für militärische Zwecke dient, und Watts Bar 2 (Bauzeit 1973–2015) bestätigt die Regel und zeigt, wie schnell beziehungsweise in diesem Fall wie langsam und langwierig die tatsächlichen Baukosten die geplanten übersteigen können.]

Gegenstand der historisch ersten Laufzeitverlängerung in den USA waren im Jahr 2000 die beiden Europäischen Druckwasserreaktoren (European Pressurized Water Reactor, EPR) des französischen Nuklearkonzerns Areva namens Calvert Cliffs 1 (Laufzeit 1974–2034) und Calvert Cliffs 2 (Laufzeit 1976–2036) an der Chesapeake Bay in Lusby, Calvert County, Maryland an der Atlantikküste. Der Europäische Druckwasserreaktor läuft in den USA auch unter der Abkürzung EPR, die Abkürzung wird jedoch als Markenname anders aufgelöst: „Evolutionary Power Reactor“ [Evolutionärer Leistungsreaktor]. Die Atomaufsicht der Vereinigten Staaten von Amerika (Nuclear Regulatory Commission, NRC, gegründet 1974) hat zwischen 2000 und 2016 insgesamt 87 Kernreaktorbetreibern eine 20-jährige Laufzeitverlängerung von 40 auf 60 Betriebsjahre erteilt. Die amerikanische Atomaufsicht prüft derzeit nicht nur acht weitere Anträge für eine Erneuerung der Betriebsgenehmigung, sondern arbeitet bereits an einem zweiten Verfahren zur Lizenzverlängerung von 60 auf bis zu 80 Betriebsjahre.

Zahlreiche Kernreaktoren, die eine 20-jährige Laufzeitverlängerung erhalten, müssen in den USA während einer rund dreimonatigen Produktionsunterbrechung den Dampferzeuger gegen einen neuen, langlebigeren austauschen. Darüber hinaus werden in vielen Fällen veraltete Mess-, Regel- und Steuerungstechnik auf den neuesten Stand gebracht und nicht selten auch der Reaktordruckbehälterdeckel ausgetauscht. Inspiziert werden praktisch alle von Korrosion und Rissen bedrohten Teile, darunter in der Regel auch die Kernumfassung von Kernreaktorbehältern. Von Verschleiß durch Alterung betroffen sind auch Pumpen und Ventile sowie passive Komponenten. Das kann durchaus eine Milliarde US-Dollar oder auch mehr kosten. Wegen dieser Kosten für gestiegene Sicherheitsanforderungen und Instandhaltung, nicht zu vergessen die Kosten für Stilllegung, Rückbau und umweltsichere Entsorgung von radioaktivem Abfall für mindestens 1 Million Jahre, werden nicht alle Kernreaktoren generalüberholt. Die Preise für Öl, Erdgas und Kohle sowie die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energien legen es manchen Betreibern nahe, den einen oder anderen Kernreaktor nicht über 60 oder bald gar 80 Jahre laufen zu lassen.

In diesem Zusammenhang ist der vergleichsweise hohe Jahresnutzungsgrad (Kapazitätsfaktor) in den USA erwähnens- und bedenkenswert, weil ein solcher als Ausweis für eine „good performance“ gilt, zumindest unter nuklearen Optimisten: In den USA lag der durchschnittliche Jahresnutzungsgrad für Kernkraftwerke von 2001 bis 2016 bei rund 90%. Aktuell sind 99 Kernreaktoren in 30 Bundesstaaten von 30 unterschiedlichen Unternehmen in Betrieb, darunter 65 Druckwasserreaktoren (64 GWe) und 34 Siedewasserreaktoren (35 GWe), mit einer installierten Gesamtkapazität von über 99 GWe. Nahezu alle Kernreaktoren wurden zwischen 1967 und 1990 errichtet. Unter anderem wegen des Widerstands gegen neue Kernkraftwerke nach der partiellen Kernschmelze in Block 2 des Kernkraftwerks Three Mile Island in Pennsylvania (1979) gab es zwischen 1977 und 2013 keine neuen KKW-Bauvorhaben. Der Preisverfall bei Erdgas und Erdöl wegen des Fracking-Booms trugen dazu bei, dass Kernstrom immer weniger rentabel wurde. Obwohl über nahezu 30 Jahre hinweg keine neuen Kernkraftwerke gebaut wurden, haben Modernisierung, Rationalisierung und Kostensenkung dazu geführt, dass die Leistungsfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit vor allem der in den 1970er und 1980er Jahren errichteten Kernreaktoren deutlich angestiegen ist. Produzierten KKW in den USA 1980 rund 251 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh), was 11% der nationalen Stromerzeugung entsprach, so lag der Output 2008 bei 809 Mrd. kWh und einem Stromerzeugungsanteil von nahezu 20%. Zum Vergleich: In Japan liegt der Jahresnutzungsgrad, d.h. der Anteil der Volllaststunden in einem Jahr, bei rund 70%, wobei der Fukushima-Faktor eine aktuelle Berechnung für Vergleichszwecke erschwert.

Der alle drei Jahre neu formulierte japanische Basisplan zur Energiepolitik [Enerugī Kihon Keikaku] ist in Arbeit und steht kurz vor seiner Vollendung und Veröffentlichung. Allgemein wird mit keiner radikalen Änderung im Vergleich zum vorherigen Basisplan gerechnet, in dem der Kernstromanteil bis 2030 auf rund ein Fünftel festgelegt ist.

Quellen: Kansai Electric Power Co., Inc. [KEPCO, Kansai Denryoku 関西電力]; World Nuclear Association; Citizens’ Nuclear Information Center [CNIC, Genshiryoku Shiryō Jōhōshitsu 原子力資料情報室].