Nukleares Ereignis der INES-Stufe 2 im Ōarai-FuE-Zentrum der JAEA

Im Ōarai-Forschungs- und Entwicklungszentrum [Oarai Research and Development Center, jp. Ōarai Kenkyū Kaihatsu Sentā 大洗研究開発センター] der Japanischen Agentur für Kernenergie JAEA [Japan Atomic Energy Agency, jp. Nihon Genshiryoku Kenkyū Kaihatsu Kikō (Genshiryoku Kikō) 日本原子力研究開発機構(原子力機構)] ereignete sich am 6. Juni 2017 etwa 110 Kilometer nordöstlich von Tōkyō nahe Tōkai-mura in der Präfektur Ibaraki ein nuklearer Störfall. Fünf Arbeiter in ihren 50er Jahren erlitten eine interne Strahlenexposition, als sie in einem Lagerraum einen Vorratsbehälter mit Plutonium- und Uranpulver öffneten. Die Arbeiter setzten die Untersuchung von Proben aus dem Vorratsbehälter fort, obwohl die Plastikbehälter anschwollen. Als sie schließlich aufplatzten, inhalierten die Arbeiter radioaktiven Staub. Im Urin der Arbeiter wurde Plutonium und Americium nachgewiesen. Fachleute schätzen die innere Strahlenbelastung eines Arbeiters auf 100 bis 200 Millisievert. Der Unfall wurde auf der siebenstufigen Internationalen Bewertungsskala für nukleare und radiologische Ereignisse als Ereignis der INES-Stufe 2 [INES, International Nuclear and Radiological Event Scale] bewertet.

Zum FuE-Zentrum in Ōarai (ca. 16.000 Einwohner) der JAEA gehören unter anderem der japanische Materialtestreaktor JMTR [Japan Materials Testing Reactor, jp. Zairyō Shikenro 材料試験炉], der Schnellbrüter-Versuchsreaktor Jōyō [Jōyō Fast Breeder Experimental Reactor, jp. Kōsoku Zōshokuro no Jikkenro Jōyō 高速増殖炉の実験炉常陽] und ein heliumgekühlter, graphitmoderierter Hochtemperaturreaktor zu Test- und Forschungszwecken.

Der Leiter der japanischen Atomaufsichtbehörde, Shunichi Tanaka, rügte die Dienstsorgfaltspflicht der JAEA und appellierte an ihre Verantwortung gegenüber der Gesundheit ihres Personals. Die betroffenen Arbeiter wurden bislang mehrfach im NIRS [National Institute of Radiological Sciences, jp. Hōshasen Igaku Sōgō Kenkyūjo Byōin 放射線医学総合研究所病院, kurz Hōiken 放医研], einer Forschungs- und Behandlungseinrichtung unter der Ägide der QST [National Institutes for Quantum and Radiological Science and Technology, jp. Ryōshi Kagaku Gijutsu Kenkyū Kaihatsu Kikō 量子科学技術研究開発機構, kurz Ryōken Kikō 量研機構], untersucht und als ambulante Patienten wieder entlassen. Ein NIRS-Vertreter veröffentlichte am 19. Juni das vorläufige Untersuchungsergebnis: „Keine akute Situation.“ [Shinkoku na jōkyō de wa nai 「深刻な状況ではない」]. Im Rahmen der vierten Untersuchung wurden drei der fünf Arbeiter am 24. Juli im NIRS kontrolliert und nach vier Tagen wieder entlassen. Laut QST-Pressemitteilung gab es bis zum Ende der vierten Untersuchung am 28. Juli „keine besonderen Veränderungen des Gesundheitszustandes der Patienten“ [Kanja-san no yōdai ni tokudan no henka wa arimasen 「患者さんの容態に特段の変化はありません」].

In Japan gab es bereits in den 1990er Jahren nukleare Ereignisse der INES-Stufen 1, 2 sowie 3. So starb der Arbeiter Hisashi Ōuchi am 21. Dezember 1999 als Folge des Kritikalitätsunfalls vom 30. September desselben Jahres in der Tōkai-Fabrik der Firma JCO Co. [früher: Japan Nuclear Fuel Conversion, Ltd.], die mit der Rekonversion von Uran zur Herstellung von Kernbrennstoffen befaßt war, und gilt in Japan als der erste Tote als Folge eines Nuklearunfalls in einer kommerziellen Fabrik. Als Folge zunehmender Stör- und Unfälle spätestens seit der Mitte der 1980er Jahre akzeptierten die zuständigen Ministerien und Ämter erstmals Runde Tische zur Kernenergiepolitik [Genshiryoku Seisaku Entaku Kaigi 原子力政策円卓会議] zwischen nuklearen Optimisten und Pessimisten mit Teilnehmerzahlen im dreistelligen Bereich. Nach ein, zwei Dutzend Treffen über Monate hinweg gipfelten die zum Teil hitzig geführten Debatten meist in der Übergabe von zahlreichen Verbesserungsvorschlägen an die Zuständigen.