Mischoxidbrennstoff aus Frankreich in Japan eingetroffen

Zwei Spezialschiffe, die am 5. Juli 2017 den Hafen des nordfranzösischen Cherbourg verlassen hatten, sind nach einer rund zweieinhalbmonatigen Schiffsreise auf den Weltmeeren am 21. September 2017 gegen 7 Uhr morgens im Hafen der Kleinstadt Takahama (Takahama-chō) in der Präfektur Fukui mit einer Fracht Uran-Plutonium-Mischoxidbrennstoff (MOX) [jp. purutoniumu-uran kongō sankabutsu nenryō (mokkusu nenryō) プルトニウム・ウラン混合酸化物(MOX燃料)] angekommen. Er ist für den Druckwasserreaktor 4 (870 MWe = Megawatt elektrisch) des Takahama-Kernkraftwerkes von Kansai Electric Power Co., Inc. [KEPCO, jp. Kansai Denryoku KK 関西電力株式会社, kurz Kanden 関電] bestimmt.

KEPCO hatte im Jahr 2008 einen Liefervertrag mit dem japanischen Kernbrennstoffhersteller Nuclear Fuel Industries, Ltd. [NFI, jp. Genshi Nenryō Kōgyō KK 原子燃料工業株式会社, kurz Gennenkō 原燃工] mit Sitz in Tokyo abgeschlossen, der das französische Kerntechnikunternehmen Areva NP [Areva Nuclear Power, bis März 2006 Framatome] mit der Herstellung von 16 Mischoxid-Brennelementen zwischen August 2016 und März 2017 beauftragt hat.

Der Transport der MOX-Brennelemente per Schiff war der zweite seit der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 (Erdbeben, Riesenflutwelle, Kernschmelzen) und der sechste seit 1999. Im Juni 2013 war schon einmal Mischoxidbrennstoff für den Druckwasserreaktor 3 (870 MWe) des gleichen Kernkraftwerkes verschifft worden. Die zwei jeweils 108 Tonnen schweren und 6,2 Meter langen Container wurden mit einem Kran an Land gebracht und mit einem Spezialanhänger zu einem Zwischenlager transportiert.

Sie werden in einem Brennelementlagerbecken gelagert und von der japanischen Atomaufsichtsbehörde NRA [engl. Nuclear Regulation Authority, jp. Genshiryoku Kisei Iinkai 原子力規制委員会] untersucht; in der Vergangenheit war es zu Unregelmäßigkeiten im Rahmen des Qualitätsmanagements für Brennstoffpellets durch französische und britische Lieferanten gekommen. Außer den Kernreaktoren Takahama 3 und 4 benutzen auch die Kernreaktoren Ikata 3 auf Shikoku und Genkai 3 auf Kyushu gleichartige MOX-Brennelemente. Der letztgenannte Kernreaktor soll die Stromproduktion plangemäß im Januar 2018 wieder aufnehmen.

Die japanische Regierung plant, mittelfristig die Herstellung von MOX-Brennelementen im eigenen Land durchführen zu lassen. Die Argumente für und gegen MOX-Brennelemente hinsichtlich der (Non-) Proliferation von waffenfähigen Stoffen erinnern bisweilen an politische Glaubensfragen und Wunschdenken. Die Sicherheitsanforderungen für Wiederaufarbeitung und die Herstellung von Brennelementen aus Urandioxid und Plutoniumdioxid sind sehr hoch. Es gibt mit MOX-Brennelementen eine Reihe von Problemen, so zum Beispiel die schwer vermeidbare Emission von gasförmigen Spaltprodukten wie Xenon und Krypton sowie Alphateilchen (Heliumkerne), die über die Atmung ins Blut gelangen können und negative Folgen für die Gesundheit unter anderem des Bedienungspersonals haben. Wird Plutoniumstaub eingeatmet, lagert er sich in menschlichen Organen und Knochen ab und führt bei geringsten Dosen zu Lungenkrebs, Knochenkrebs und Leukämie. Auch reduzieren MOX-Brennelemente aus physikalischen Gründen – erhöhter Innendruck durch höhere Spaltgasfreisetzung – die Wirksamkeit der Steuerstäbe und werden deshalb auch von Teilen der Atomindustrie als nicht unproblematisch angesehen.

10 Gramm versus 47 Tonnen Plutonium

Die USA und Japan schlossen 13 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1958 erstmals ein Kooperationsabkommen auf dem Gebiet der Kernenergie, worin sich der Abnehmer verpflichtete, die gekauften Stoffe – ein großer Fortschritt für Japan, denn davor wurden Radionuklide auf der Grundlage eines sogenannten „Standardabkommens“ nur „gepachtet“ – ausschließlich für zivile Forschungszwecke zu benutzen. Außerdem durften die Stoffmengen des Nuklearabkommens je Transfer „100 g Uran 235, 10 g Plutonium und 10 g Uran 233“ (§ 5) nicht übersteigen. Der Kontrast könnte fast 60 Jahre später kaum größer sein. Wie sehr sich Japan als Musterschüler und eines der 70 Gründungsmitglieder der Internationalen Atomenergieorganisation (International Atomic Energy Agency, IAEA) vom amerikanischen Kontrollregime emanzipiert hat – dass der IAEA-Generaldirektor seit 2009 ein japanischer Diplomat und Abrüstungsexperte namens Yukiya Amano ist, ist Zufall –, wird unter anderem dadurch ersichtlich, dass Japan heute Eigentümer von rund 47 Tonnen Plutonium ist. Davon bevorratet Nippon rund 10 Tonnen auf seinem eigenen Hoheitsgebiet und rund 37 Tonnen in Frankreich und im Vereinigten Königreich.

Seit dem 5. Juli 2017 sind bis voraussichtlich September zwei Spezialschiffe unterwegs auf dem Weg aus dem nordfranzösischen Hafen Cherbourg in die japanische Präfektur Fukui, wo der Druckwasserreaktor Takahama 4 mit Uran-Plutonium-Mischoxidbrennstoff (MOX) beladen werden soll. Nukleare Optimisten sagen, dass überschüssiges waffenfähiges Plutonium, das sonst Nuklearmüll wäre und gestohlen werden könnte, auf diese Weise zur Stromerzeugung genutzt werden könne. Nukleare Pessimisten halten dagegen und befürchten, dass genau das Gegenteil eintreten würde, nämlich dass sich das Risiko nuklearer Proliferation gerade durch die globale kommerzielle Nutzung von Mischoxidbrennstoff und die Ausweitung der Wiederaufarbeitung eher erhöhen könne. Außerdem reagiere eine Mischung aus 7% Plutonium und 93% Uran zwar ähnlich, aber nicht identisch wie niedrigangereicherter Uranbrennstoff. Das Plutonium-Uran-Gemisch sei energiereicher als normaler Kernbrennstoff, setze bei einem Unfall aber auch mehr radioaktive Stoffe frei und verlange wegen der großen Hitzeentfaltung mehr Kühlwasser.

Die beiden MOX-Transporter auf den bewaffneten Spezialschiffen Pacific Heron und Pacific Egret von Pacific Nuclear Transport Ltd. (PNTL), ein Tochterunternehmen des britischen Unternehmens International Nuclear Services (INS), enthalten unter anderem etwa 736 Kilogramm Plutonium aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Nukleare Pessimisten gehen davon aus, dass 5 Kilogramm Plutonium für eine Atombombe hinreichend wäre, rein rechnerisch wären das 147,2 Atombomben. Von den aktuell in Betrieb befindlichen fünf Kernreaktoren können drei Mischoxidbrennstoff nutzen. Sollte die Wiederaufarbeitungsanlage in Rokkashomura im Norden der Hauptinsel Honshū nach langjährigen Verzögerungen im Jahr 2018 in Betrieb gehen, wären davon potentiell bis zu 18 japanische Kernreaktoren betroffen.

Der aktuelle Transport von Mischoxidbrennelementen von Europa nach Japan ist der sechste seit 1999 und der zweite seit der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 (Erdbeben, Riesenflutwelle, Kernschmelzen). Nukleare Optimisten sagen: „Die beiden Spezialschiffe sind bewaffnet und ihre Rumpfkonfiguration besitzt eine Doppelhülle.“ Nukleare Pessimisten in Japan sagen: „Was bereits zweimal passiert ist, wird auch ein drittes Mal passieren.“ [Nido aru koto wa sando aru  「二度あることは三度ある」 ].

Mit Druckwasserreaktor Takahama 3 wieder fünf Kernreaktoren im kommerziellen Betrieb in Japan

Am 4. Juli 2017 nahm der Kernreaktor Takahama 3 (870 MWe = Megawatt elektrisch, erste Inbetriebnahme Januar 1985) von Kansai Electric Power Co., Inc. (Kansai Denryoku) den kommerziellen Betrieb wieder auf. Dieser Druckwasserreaktor (DWR) war am 6. Mai wieder angelaufen, wurde am darauffolgenden Tag kritisch und nahm die Stromerzeugung am 9. Juni wieder auf. Der Kernreaktor Takahama 4 (870 MWe, Inbetriebnahme Juni 1985), der wie die Reaktoreinheit 3 seit März 2016 durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung im Offline-Modus gehalten worden war, wurde am 17. Mai neu angefahren, begann mit der Stromnetzeinspeisung am 22. Mai und nahm am 16. Juni den kommerziellen Stromerzeugungsbetrieb vollumfänglich wieder auf. Zusammen mit den DWR Sendai 1 und 2 (jeweils 890 MWe) von Kyushu Electric Power Co., Inc. (Kyūshū Denryoku) und Ikata 3 (890 MWe) von Shikoku Electric Power Co., Inc. (Shikoku Denryoku) sind das insgesamt fünf Druckwasserreaktoren, die den Stromerzeugungsbetrieb nach der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 (Erdbeben, Riesenflutwelle, Kernschmelzen) wieder aufgenommen haben. Die von niederen Gerichten erlassenen einstweiligen Verfügungen gegen die Wiederinbetriebnahme von Kernreaktoren wurden von der höheren Gerichtsbarkeit in Japan wieder einkassiert.